Schlechte Karten für Musikverein – Kirchenkonzert 2024
Mandolinenspieler konzertieren in Auenheimer Kirche
Kehl-Auenheim (clu). Das Orchester des Mandolinenvereins Auenheim, unter der Leitung von Jean-Philippe Hummel, gab am Sonntag sein Sommerkonzert in der evangelischen Kirche in Auenheim. Société des Mandolinistes et Guitaristes d’Illkirch-Graffenstaden spielte als Gast ebenfalls, und das „ZupfEnsembleAuenheim“ rundete das Programm ab.
Am Sonntag war in der Kirche komplett jeder Platz besetzt. Und erneut war die Darbietung ein Hochgenuss, von leisen Tönen und der außergewöhnlichen Zartheit des Klanges und des Empfindens getragen.
Traditionell werden zu diesen Konzerten Gastvereine und Solisten eingeladen. Dieses Mal trat das Ensemble Société des Mandolinistes et Guitaristes d’Illkirch-Graffenstaden auf, von seinem Dirigenten Jean-Paul Noè geleitet. Sie boten „Die Nürnberger Puppe“ von A. Charles Adam (1803 bis 1856) – exzellent gespielt, an eine lebendig gewordene Mechanik erinnernd, fast gruselig. Dazu Giacomo Sartoris (1860 bis 1946) „Prime Rose“ und „Ein Abend in Madrid“ von Mario Maciocchi (1874 bis 1955). Bei Georg-Philipp Telemanns (1681 bis 1767) „Partita in G“ und Vittorio Montis (1868 bis 1922) „Czardas“ interpretierte Lauriane Schmitt (Flöte) anmutig die Solopartien. Das Arrangement von Noè begeisterte das Publikum, denn ein von Mandolinen, Gitarren und einer Soloflöte gespielter Czardas ist originell.
Die zwei Ensembles arbeiten seit Langem zusammen, „sie helfen und ergänzen einander“ – zumal beide unter Nachwuchsmangel akut leiden würde, erzählte die Musikerin Gabie Reinbold. Daher spielten jetzt auch Auenheimer Instrumentalisten bei den Elsässern.
Die Gastgeber eröffneten das Konzert mit J. S. Bachs (1685 bis 1750) „Orchestersuite Nr. 1„, gefolgt von Johann Pachelbels (1653 bis 1706) „Kanon in D“ (beide meisterhaft von Hummel arrangiert) und der „Sonatine Nr. 6″ von Valentin Roeser (1735 bis 1782). Beim Kanon, leise und in langsamen Tempi gespielt, vertiefte sich die Stille, und die Zeit blieb stehen, in einem filigranen Klangkokon eingewickelt.
Beendet haben die erfahrenen semiprofessionellen Musiker ihre Darbietung mit „Torna a Surriento“ von Ernesto de Curtis (1875 bis 1937), „Send in the Clowns“ von Stephen Sondheim (1930 bis 2021) und einem sehr lebhaften „Radetzky Marsch“ von Johann Strauss Senior (1804 bis 1849).
Das sechsköpfige „ZupfEnsembleAuenheim“ – besetzt mit zwei Mandolinen (Klaus Riebs, Anne Razov), einer Mandola (Uwe Knillmann), zwei Gitarren (Josiane Klein, Johannes Mellein) und Kontrabass (von Hummel gespielt) rundete das zweistündige Programm ab mit einem melancholischen „The Song of Japanese Autumn“ von Yasuo Kuwahara (geb. 1946) und dem „Zweiminutenwalzer“ von Christopher Grafschmidt (geb. 1964), der wie ein Lächeln wirkte.

Die Werke eignen sich gut für die Mandolinen und Gitarre, und die Auenheimer Musiker zaubern so einiges hervor: ätherische Klanggewebe, Lyrismus, bewegte Emotionen ohne Pathos. Die Tieflage mit unscharfen Umrissen, warm und oft wie Streichinstrumente klingend. Die wunderbare Anna Radomskaya brachte wieder auf ihrer Domra (eine Verwandte der Mandoline) die russische Schwermut hinein – unverwechselbar.
Der Verein besteht seit 1922. Darin speilen manche Musiker seit über 50 gar 60 Jahre. Viele sind quasi damit groß geworden. Hummel dirigiert das Orchester seit 38 Jahren und prägte es mit seiner musikalischen Raffinesse. Doch es bestehe große Gefahr, dass es wegen Nachwuchsmangels zugrunde gehe, beklagen der erste Vorstand Johannes Mellein (Gitarre) und der zweite Vorstand Klaus Riebs (Mandoline). Obschon hier professionelle Ausbilder unterrichten, nehme die Anzahl der Mitglieder stetig ab. Ein Instrument zu lernen, verlange Talent, Ausdauer und Fokussierung – schlechte Karten für die Musikvereine in einer von Schnelligkeit, Handy und Überfluss an Angeboten dominierten Zeit.
AUS: Kehler Zeitung vom
VON: Simona Ciubotaru

